»Grüner A4ümg-54 im Blauen Enzian?
Wer die Verbundenheit des Autoren mit dem „Blauen Enzian“ kennt (MIBA 1985: Wir bauen den Henschel-Wegmann-Gegenzug und Mitarbeit am Jossa-Projekt), wird sich nicht wundern, dass ein Kollege (Matthias Muschke – danke!) sofort zum elektronischen Telefon griff:
»Hast Du schon den neuen MIBA-Report 66 Reisezüge gesehen? Das Vermächtnis-Heft von Michael Meinhold? Da ist der „Blaue Enzian“ drin – mit einem grünen A4ümg-54! Das wär’ ja ’ne Sensation!«.
»Glaub’ ich nicht!«, war meine erste Antwort, »das wird doch ein A4ymg-54 sein«. Schnell das Heft gekauft: Es scheint tatsächlich ein A4ümg-54 zu sein:
- Anordnung der Batteriekästen unterm Wagenboden entsprechen nicht dem A4ymg
- Fenster neben Tür scheint schmaler zu sein als andere Abteilfenster
- Person schaut aus dem offenen Fenster, das würde in einem Großraumwagen der 1. Klasse bei schneller Fahrt für Unmut sorgen.
- Kardan-Lichtmaschine am Drehgestell auf Gangseite links (und wohl keine LiMa unterm Wagenboden, wie für die 50er vermutet wird)
Aber leichte Zweifel bleiben, denn ich hatte noch nie von einem grünen A4ümg-54 gehört, geschweige denn einen gesehen …
Nun haben Matthias Muschke und ich das Bild aus dem „Archiv Michael Meinhold“ freundlicherweise von Martin Knaden von der MIBA zugeschickt bekommen – mit der Erlaubnis, es im Web zur Diskussion zu stellen: Gab es grüne A4ümg-54?
Und hier nochmal als Ausschnitt (leider kommt man in der Ausschnittsvergrößerung an die Grenzen der Körnung des Dias).
In dieser Vergrößerung erkennt man deutlich, dass der Speisewagen der DSG ein ehemaliger Vorkriegs-Rheingold-Wagen ist.
A4ümg-54, Baureihe V 200, Blauer Enzian, ex-Rheingold-Speisewagen, F 55 München Hbf—Hamburg-Altona „Blauer Enzian“, F 56 Hamburg-Altona—München Hbf „Blauer Enzian“, F-Zug, F-Zug-Netz, Hamburg-Altona, München, WR4ü
Detlev Hagemann
Da sind die Betrachter eher doch noch uneinig, dass es sich um einen Aymg-54 handelt.
Christian Appelt
Es gibt ein weiteres Foto im Web von dieser Zugeinheit, auch mit dem ex-Rheingold-Speisewagen. Da sind sich die Betrachter einig, dass der wiederum auffällige 2. Wagen ein Aymg ist.
https://www.db58.de/2010/07/05/f-55-blauer-enzian-elm-flieden/
Will Berghoff
Noch etwas: Im Gastell-Archiv sind die Ablieferungsfotos des 11 803 in guter Auflösung (s/w, Glasplattennegativscan) zu sehen. Im Hintergrund der linken Türaufnahme des 11 803 ist auf dem nächsten Gleis einer der beiden weiteren Wagen zu sehen. Vom Grauton her sehe ich keinerlei Unterschied. Bei einer Ablieferungsaufnahme würde ich aber erwarten, dass zwischen Flaschengrün und Stahlblau ein Unterschied erkennbar ist.
Will Berghoff
Zu Matthias’ Hinweis vom 17.2.18 verweise ich auf Jahrbuch des Eisenbahnwesens 1956 – Die Deutsche Bundesbahn im Jahre 1955 Seite 18:
„An Reisezugwagen wurden 1955 angeliefert 318 Schnellzugwagen, davon 52 blaue Wagen für F-Züge, […]. Am Jahresende waren noch weitere 320 Schnellzugwagen – 2. Klasse (B4ümg), 2./3. Klasse (BC4ümg), 3. Klasse (C4ümg), […] – bestellt, deren Lieferung für das Jahr 1956 vorgesehen ist.“
Diese B4ümg dürften damit die grünen späteren A4ümg sein.
Will Berghoff
Interessante Theorie. Allerdings habe ich keine Hinweise darauf, dass der 11 0804 und der 11 805 in grün geliefert wurden. Das schliesst es allerdings nicht aus. Ziel der Bestellung war, RIC-fähige FD-Zug-Wagen zu erproben. Nach der Idee der DB hätten diese als FD-Wagen blau sein müssen. Für den RIC-Verkehr mussten sie Faltenbalg-Übergänge haben. Selbst die LS-Doppelstockwagen waren zunächst blau, da die Idee der DB war, höherwertige Zuggarnituren werbewirksam blau zu lackieren. Das wurde aber wohl schnell verworfen und erst nach der „Klassenreform“ wurde das Blau generell Erkennungszeichen erstklassiger Neubauwagen – und 1962 mit dem RHEINGOLD-Farbkonzept auch schon wieder fast verworfen. Wie dem auch sei, der 11 804 wurde mit der ursprünglichen Lichtmaschinenanordnung 1963 ausgemustert und zum Bahndienstwagen für Minden umgebaut. Es bleibt also wohl nur der 11 805 als möglicher Kandidat. Das Gastell-Archiv ist wohl wieder zugänglich. Wer macht sich die Mühe und sucht in Köln nach?
Bernhard Brieger
Darf ich einwerfen: m. W. wurde der 11803 in Stahlblau abgeliefert und hatte eine Schürze. Die Wagen 11804 und 11805 wurden ohne Schürze und in Flaschengrün abgeliefert.
Auf einem Bild aus der Sammlung von Dirk Frielingsdorf mit Aufnahmejahr 1967 hat der A4üm 11803 Stg noch seine Schürze.
Matthias Muschke
Und schon neun Jahre später haben wir die Lösung. Ich habe mich in Nürnberg im Kreis der Wagenfreunde auch zu dieser Problematik unterhalten. Es ist einer der erwähnten AB4üm-52 (A4üm-52), spätere BA 201 und zwar entweder der Wagen 11803 oder 11804. Diese beiden wurden nämlich definitiv in Grün geliefert. Eher nicht zutreffend ist wohl die Aussage im EK-Sammelwerk, dass auch die AB4ümg Serie von 1955 einen grünen Anstrich erhielt. Die Unterlagen geben hier wohl eher einen frühen Wechsel von Stahlblau auf Kobaltblau an.
Ralf Lev.
Mal ganz wild spekuliert:
Ich meine am in Fahrtrichtung vorderen Ende des “Grünen” zwischen dem Türfenster und dem Wagenende ziemlich viel Blech zu sehen. Könnte das nicht das Schürzenwagen-artige Wagenende eines Vorserien-AB4üm-52 (zum Aufnahmezeitpunkt A4üm-52) mit Faltenbalg sein? Das würde natürlich voraussetzen, dass zum Aufnahmezeitpunkt 1.) die Lichtmaschine schon vom Wagenboden an das Drehgestell “gewandert” ist und 2.) die Schürze entweder schon demontiert oder gar nicht erst dran gewesen ist. Aber könnte das nicht sein?
Zu dem von Will Berghoff erwähnten B4ümg-54 Nr. 11849 Köl gibt es übrigens noch ein Bild eines anderen Wagens aus dieser Lieferserie von Gastell, nämlich der 11840 Köl auf http://www.eisenbahnstiftung.de/images/bildergalerie/15436.jpg . Hier hat man auch den Eindruck, als hätte der Wagen die gleiche Farbe wie der daneben stehende C4ümg, also grün.
Ich würde also mal ganz kühn vermuten, dass es zweierlei grüne A4üm(g) gegeben hat. Erstens mindestens einen Vorserienwagen und zweitens die 1955 als B4ümg gelieferten Wagen von Gastell und evtl. auch die von Wegmann.
giesher
Aus meiner Sicht kann es kein A4ymg sein:
Der Eilzugwagen mit Mittelgang hat die Lüfter in Dachmitte, sie müssten also zu sehen sein.
Da keine Lüfter zu sehen sind, gehe ich davon aus, dass die Gangseite des A4ümg abgebildet ist (die Lüfter sind mittig über den Abteilen).
Die weißen Kopfstützen, die für Abteilseite sprechen würden, kann ich nicht erkennen.
Stefan
Ich bin mir bei der grünen Farbe nicht sicher. Der Zug scheint aus einer Kurve auszufahren. So könnte es sein, dass ein Wagen z.B. das Böschungsgrün oder Sonnenlicht anders reflektiert, als andere Wagen (er hat einen anderen Winkel). Soweit auf der Vergrößertung erkennbar, scheinen die Fensterscheiben ebenfalls über eine grünliche „Körnung“ zu verfügen. Auch scheint die Seitenwand genauso über blaue Körnung zu verfügen.
Vielleicht ist der Wagen auch nur in einem schlechteren Farbzustand und dreckig. Wie gesagt, es scheint auch eine blaue Körnung vorhanden zu sein. Die Farben des Negatives bzw. des Dias haben im Laufe der Jahre sicherlich auch etwas gelitten. Wenn nun der Blauton im Original durch Abnutzung, Dreck, u.s.w. schon anders war, so kann der Film durch Alterung hieraus ebenso etwas anderes gemacht haben. Ein sauberes Grün vermag ich ebenfalls nicht erkennen.
Will Berghoff
Nach Hinweis auf “Verkehrsknoten Köln” habe ich mir dort auf Seite 132 das Ablieferfoto des B4ümg-54 Nr. 11 849 Köl bei Gastell/Mainz mal genauer angesehen. Es ist s/w, aber es fällt auf, dass der Wagen im Grauton heller wirkt als der linke, vermutlich stahlblaue B4ümg. Zudem trägt er eine besondere Form des DB-Keks, die später als “Negativ-Keks” bekannt wurde und eine etwas kleinere Fläche beansprucht. Der Wagen wurde 1955 als einer der ersten DB-Wagen mit “Keks” – oder vielleicht sogar als Vorführwagen für einen “Keks”-Entwurf geliefert. (Später wurde er zum Am202 51 80 10-43 047-9.) Diese Details könnten auf den obigen Wagen passen. Ich wäre trotzdem verwundert. Ob es dafür Unterlagen gibt?
Die A4ymg erhielten wie alle 52er noch vor 1960 normale Kardanlichtmaschinen am Drehgestell. Der oben abgebildete Zug müsste der Nachfolger des “Gegenzuges” sein, der diesen ab 1957 erstetzte.
Will Berghoff
Da die Endfenster nicht undurchsichtig sind, müsste es sich beim A4ümg um die Gangseite handeln. Man sieht aber die weiss überzogenen Kopfteile der Sitze nahe am Fenster. Wäre dort ein Gang, wären sie weiter vom Fenster weg, wenn überhaupt sichtbar. Ich denke daher, es ist ein A4ymg. Wenn nicht, ist es eine echte Überrasschung. Ein hochinteressantes Foto allemale, das übrigens in s/w bereits veröffentlicht ist und so seine Brisanz verbarg. Wie gerne hätte ich das mit Michael diskutiert. Das Aufnahmedatum müsste 1958/59 gewesen sein, da es noch Wagen ohne den 1.-Kl.-Streifen im Zug gibt. Schwer zu beurteilen ist, ob der “DB-Keks” wirklich einer ist, er wirkt kleine als bei den blauen Wagen. Aber da kann die Bildauflösung einen Streich spielen. An einen italienischen Wagen glaube ich nicht, die haben erst nach 1961 UIC-X-Wagen eingesetzt – und dann mit Schürze und metallischen Türen.