»Schienenbusse im Zentrum: VT 95 des Bw Neumünster
Bei fast allen Halbinseln und Inseln ist es so: Die wichtigen Städte liegen am Rand und das Innere ist dünn besiedelt, somit meist zentrumsfrei. In Schleswig Holstein jedoch füllt Neumünster diese Lücke und ist bis heute – trotz Gebietsreformen und „nur“ 80.000 Einwohnern – eine kreisfreie Stadt geblieben.
Das Verkehrsaufkommen von Kiel, Lübeck, Bad Oldesloe, Elmshorn, Heide und Rendsburg mit Ziel Neumünster ist immer so gering gewesen, dass es seit den 50er Jahren fast vollständig mit Schienenbussen oder ähnlichen Fahrzeugen abgewickelt werden konnte. Der Nachteil beim Schienenbus-Einsatz war, dass im sommerlichen Urlaubs- und Ausflugsverkehr das Platzangebot nicht hochwertig genug und wegen der schwachen Motoren der VT 95 nicht flexibel genug gestaltet werden konnte. So begann schon Ende 1957 die teilweise Ablösung der Einmotorer durch ETA 150, erst in den 60er Jahren kamen dann auch VT 98 im Landesinneren zum Einsatz.
Doch nun zu unserem Laufplan vom Sommer 1957: Die Neumünsterschen VT 95 übernahmen keine Eilzugleistungen, wie wir sie zum Beispiel in Nordniedersachsen bei ähnlicher Topographie häufiger antreffen. Meist waren es „nur“ die typischen Fahrten um den Kirchturm: sternförmig auf immerhin 6 Strecken in alle Himmelsrichtungen. Neben dem auf Neumünster zentrierten Verkehr waren die weiteren Einsatzschwerpunkte Wrist/Kellinghusen, Itzehoe/Brunsbüttelkoog (Süd) und Bad Oldesloe/Bad Segeberg. Die Zentrumslage von Neumünster hatte auch zur Folge, dass Neumünstersche VT 95 keine „Alleinherrschaft“ auf einer Strecke ausüben konnte (evtl. jedoch auf der Strecke Wilster—Brunsbüttelkoog (Süd), denn eine VT-Leistung dort lässt sich bis jetzt nicht zuordnen).
Doch es gab nicht nur Kirchturmfahrten: Es wurden auch lange Laufwege bei Fahrten zwischen Klein Zecher und Neumünster, zwischen Schwarzenbek und Kiel sowie zwischen Büchen und Ascheberg über Neumünster gefahren (für größeren Laufplan und vollständige Farbliste auf die Bilder klicken). Außergewöhnlich war zusätzlich, dass laut Laufplan keine Doppeleinheiten gefahren wurden.
Ag = Ascheberg; Ahr = Ahrensburg; Bch = Büchen; Brd = Bordesholm; Brk = Brunsbüttelkoog (Süd); Bsm = Büsum; Elm = Elmshorn; H = Heide; Hwt = Hohenwestedt; Iz/Jz = Itzehoe; K = Kiel; Kg = Kellinghusen; Kz = Klein Zecher; Mh = Mollhagen; Nms = Neumünster; O = Bad Oldesloe; Pl = Plön; R = Rendsburg; Ru = Rumfleth; S = Schwarzenbek; Sb = Bad Segeberg; Wir = Wilster; Wst = Wrist
Zwischen Laufplan und Kursbuch gibt es nur eine Abweichung – das ist bei Laufplänen von Schienenomnibussen relativ wenig: Die Zeiten und Nummern ganz zu Beginn des Laufplans (zweite und dritte Leistung am 1. Umlauftag) passen nicht zum Eintrag Wst (Wrist), sondern zum benachbarten Kellinghusen. Hier scheint der Laufplan zu irren.
Dieser Laufplan führte zu folgenden Kursbuchfahrten auf den angegebenen Strecken (ungerade Zahlen ergeben sich nur durch Leerfahrten).
Offene Fragen
In der Literatur wird davon geschrieben, dass Neumünsterische VT der DB von Bad Segeberg aus auf den Privatbahnen eingesetzt wurden. Genauso sollen Privatbahn-VT auf der Strecke Neumünster—Bad Oldesloe eingesetzt worden sein. In mir momentan zugänglichen Unterlagen für den Zeitraum 1957 bis Anfang 1959 kann ich keine Anhaltspunkte dafür finden. Weiß jemand mehr zu diesem Thema?
Ergänzende Themen
- VT 12.5 des Bw Altona
- VT 95-Vorserie des Bw Husum
Wie könnte es weiter gehen?
- Veränderungen zwischen den 57er und 58er Einsätzen
- VT-Verkehr in Schleswig-Holstein mit Fahrzeugen von anderen Bw
- Personenverkehr auf den einzelnen Strecken in Schleswig-Holstein
- Bestandsentwicklung der VT- und VB-Fahrzeuge des Bw Neumünster
Quellen
- Laufplan VT 95.91 Bw Neumünster vom Sommer 1957 (Danke CCP)
- Kursbücher von 1957 bis 1959
- Schienenbusse aus Uerdingen – Band 2 von J.U. Ebel, J. Högemann, Dr. R. Löttgers; EK-Verlag 2002
Ahrensburg, Ascheberg (Holstein), Bad Oldesloe, Bad Segeberg, Baureihe VT 95.91, BD Hamburg, Bordesholm, Brunsbüttelkoog (Süd), Bw Neumünster, Büchen, Büsum, Elmshorn, Heide (Holstein), Hohenwestedt, Itzehoe, Kbs 112, Kbs 112c, Kbs 112d, Kbs 113, Kbs 113c, Kbs 114, Kbs 114a, Kbs 114b, Kbs 114c, Kbs 114e, Kbs 114h, Kellinghusen, Kiel Hbf, Klein Zecher, Mollhagen, Neumünster, Plön, Rendsburg, Rumfleth, Schwarzenbek, Wilster, Wrist
Hartwig Lendt
Hallo,
vielen Dank – großen Respekt vor Eurer hervorragenden Arbeit! Eure Site wird immer besser.
Zu dem Lauf Ptob 2597 / 2599: Ja, der Laufplan irrt, was die Zeiten für Wst angeht, die gehören zu Kg – aber insgesamt gesehen ist die Angabe Wst dennoch zu 50 % richtig, denn der VT95 ließ seinen VB in Wrist auf dem damaligen Gleis 6 zurück, um die Stichfahrt nach Kellinghusen solo zu machen (das ermöglichte dort die kurze Wendezeit von 2 Minuten) und dann mit „Einf in besetztes Gleis“ zurückzukehren. Danach ging es mit VB95 weiter nach NMS. Vielleicht stammt aus dieser „Verwirrung“ die Eintragung nur für Wrist.
Detlev Hagemann
Hallo,
genau um dieses Thema geht es. Wo lassen sich „belastbare“ Quellen finden, dass es tatsächlich zu diesen Fahrten gekommen ist?
Andreas K.
Bei den Privatbahneinsätzen dürfte es sich um Schienenbusse der Lübeck-Segeberger Eisenbahn handeln. Nach meinem Kenntnisstand wurden fallweise Schom der DB an die LSE ausgeliehen, wenn eigene Wagen (2 VT 95.0 und 2 passende VB) in der Werkstatt weilten. Außerdem soll es Durchläufe von Lübeck über Segeberg nach Neumünster gegeben haben …