»Geschwindigkeitserhöhung im Reisezugfahrplan 1958/59
Bei unserer Vorstellung der Sachsenroß-Gruppe, die im Fahrplanjahr 1958 mit VT 06.1 vom Bw Köln Bbf bzw. Bw Köln-Nippes gefahren wurden, hatten wir auf die gestiegene Durchschnittsgeschwindigkeit der F-Züge gegenüber dem Vorjahr hingewiesen. Die Beschleunigung war nicht auf den Einsatz von VT 06.1 (statt V 200) zurückzuführen sondern darauf, dass ab Sommerfahrplan 1958 auf einigen Streckenabschnitten nun mit maximal 140 km/h gefahren werden durfte, gegenüber den vorher geltenden 120 km/h.
In der ETR wurde über die Geschwindigkeitserhöhung in den Kurzmeldungen berichtet. Wir zitieren hier Textpassagen und kommentieren sie.
Die Aufholung der kriegs- und verschleißbedingten Mängel am Oberbau der wichtigsten Hauptstrecken ermöglicht es der Deutschen Bundesbahn, mit Beginn des Sommerfahrplans am 1. Juni 1958 wieder einigen Fernschnellzügen eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 120 km/h zu geben. So werden die Trans-Europ-Express-Züge (TEE) „Helvetia“, „Saphir“, „Rhein-Main“ und „Paris-Ruhr“ 140 km/h erreichen und auch die innerdeutschen Fernschnellzüge „Sachsenroß“ und „Dompfeil“ werden zwischen Hannover und Köln auf langen Strecken die gleiche Höchstgeschwindigkeit einhalten …
Das stimmt nur teilweise. Die VT 06.1 durften z.B. maximal nur 130 km/h fahren – und nicht 140 km/h. In die Fahrpläne für die VT 06.1 von 1958 wurde die neue Höchstgeschwindigkeit auch nicht eingearbeitet.*
… Gegenüber den Reisezeiten des Vorjahres machen sich die Auswirkungen des erweiterten elektrischen und Diesel-Betriebs stark bemerkbar. Bisher wiesen nur vier Zugpaare eine höhere Reisegeschwindigkeit als 90 km/h auf; nun überschreiten sieben diese Geschwindigkeitsgrenze. Auch die überhaupt höchste Reisegeschwindigkeit des schnellsten Zuges konnte um fast 3 km/h verbessert werden …
Zug 57 / 58 / 58 / 59 | R-v [km/h] 1957 Win | R-v [km/h] 1958 Som | R-v [km/h] 1958 Win | R-v [km/h] 1959 Som |
---|---|---|---|---|
TEE 78 Helvetia | 93,5 | 97,8 | 97,8 | 100,1 |
Ft 45 Schauinsland | 94,9 | 95,8 | 95,8 | 095,8 |
F 16 / Ft 16 / Ft 16 / Ft 16 Sachsenroß | 89,0 | 93,8 | 93,8 | 098,5 |
F 14 / Ft 14 Dompfeil | 86,9 | 92,8 | 92,8 | 097,9 |
Ft 44 Roland | 91,0 | 91,0 | 91,0 | 093,0 |
Ft 71 London-Hamburg-Expreß | 88,9 | 90,3 | 90,3 | — |
Ft 42 Senator | 90,1 | 90,1 | 90,1 | 092,1 |
Ft 30 / Ft 29 / Ft 29 / F 29 Münchner Kindl | 86,6 | 88,1 | 88,1 | 088,5 |
TEE 20 Saphir | — | 88,0 | 88,0 | 093,3 |
F 18 / Ft 17 / Ft 17 / Ft 18 Germania | 86,6 | 87,4 | 87,4 | 092,2 |
F 54 / Ft 54 / Ft 54 / Ft 54 Domspatz / Adler | 85,1 | 86,8 | 86,8 | 094,9 |
F 1 / F 1 / F 1 / Ft 2 Hanseat | — | 85,8 | 85,8 | 089,2 |
F 4 Merkur | 81,8 | 85,3 | 85,3 | 091,6 |
F 40 / F 39 / F 39 / F 39 Mozart | 81,2 | 85,0 | 85,0 | 088,4 |
Ft 7 / Ft 7 / Ft 7 / F 8 Rheinblitz | 84,4 | 84,4 | 84,4 | 094,5 |
F 56 Blauer Enzian | 84,1 | 84,1 | 84,1 | 087,8 |
TEE 31 / TEE 32 / TEE 31 / TEE 31 Rhein-Main | 82,6 | 84,0 | 87,8 | 091,6 |
Ft 138 / Ft 137 / Ft 137 / — Rheinblitz | 82,3 | 83,8 | 83,8 | — |
F 9 Rheingold | 80,4 | 82,8 | 82,8 | 093,8 |
Dt 773 (Hannover—Kiel) | 83,3 | 82,7 | 82,7 | — |
Ft 28 / Ft 28 / Ft 28 / F 28 Rheinblitz | 81,3 | 81,5 | 81,5 | 089,4 |
F 33 Gambrinus | — | 81,2 | 81,2 | 090,3 |
F 50 Komet | — | 80,2 | 80,2 | — |
F 23 Schwabenpfeil | — | — | — | 089,3 |
Ft 37 Hans Sachs | — | — | — | 086,0 |
F 21 Rheinpfeil | — | — | — | 085,7 |
In der Tabelle sind nur Züge aufgelistet, die mindestens 200 Kilometer auf Gleisen der DB zurücklegen.
… Aus der Zusammenstellung der jetzt mehr als 80 km/h Reisegeschwindigkeit aufweisenden Züge geht im einzelnen hervor, daß gegenüber dem Fahrplanjahr 1957/58 neben den Geschwindigkeitssteigerungen auch – zum Teil erhebliche – Verschiebungen in der Rangfolge der Züge eingetreten sind. Schnellster Zug ist nun der TEE 78 „Helvetia“ Hamburg-Zürich, der durch Erhöhung seiner Höchstgeschwindigkeit auf 140 km/h Hamburg 24 Minuten später verlassen kann, ohne dadurch in seiner Ankunft am Ziel verzögert zu werden; dabei ließ sich sogar – wie schon früher – ein Halt in der alten Universitätsstadt Göttingen einschalten. Mit dem jetzt erzielten schnellen Lauf über stündlich 97,8 km rückt die Erreichung einer Reisegeschwindigkeit von 100 km/h in greifbare Nähe; der „Helvetia“ braucht dazu im Bundesbahnnetz nur noch um weitere 12 Minuten schneller zu fahren …
1959 wurde das Ziel der Reisegeschwindigkeit von 100 km/h beim Helvetia schon erreicht – wie überhaupt der wirklich große Geschwindigkeitsgewinn erst in diesem Jahr realisiert wurde und noch nicht 1958, da hat man sich erst „herangetastet“.
Tabelle im Kursbuch vom Sommer 1958
… Bemerkenswert sind auch die Geschwindigkeitsgewinne der an die dritte und vierte Stelle aufgerückten Ft 16 und 14, „Sachsenroß“ und „Dompfeil“. Sie werden vom Fahrplanwechsel ab mit voll aufgearbeiteten Schnelltriebwagen der Baureihe 06 gefahren …
Von dieser Vollaufarbeitung der VT 06.1 zum Sommerfahrplan 1958 ist bis dato nichts bekannt.
… Da die Zugläufe sowohl in Hannover als auch in Köln im Herzen der Stadt beginnen und enden, schaffen sie schnelle Verbindungen, die selbst auf dem Luftweg schwer zu unterbieten sind. Zusammen mit den TEE „Helvetia“ und „Parsifal“ vermittelt das „Sachsenroß“ eine hervorragende Nachmittagsreisemöglichkeit von Hamburg und Niedersachsen nach Paris, die sich besonders bei ungünstiger Winterwitterung großer Beliebtheit erfreuen dürfte. Man verläßt künftig Hamburg mit dem „Helvetia“ um 13.02 Uhr, steigt in Hannover von 14.46 bis 14.53 auf das „Sachsenroß“ über und erreicht in Köln um 18.03 rechtzeitig den um 18.20 Uhr abfahrenden TEE „Parsifal“, mit dem man um 23.37 Uhr in Paris Nord eintrifft …
Wieviele Fernreisende der 1. Wagenklasse werden damals mit Gepäck zweimal umgestiegen sein, um von Hamburg nach Paris zu gelangen? Die Reisezeit von nicht einmal 11 Stunden ist allerdings beachtenswert.
„Steigt auf das Sachsenross über“ – eine andere in den 70ern selbst gehörte kesse Bahnsteigdurchsage einer Bahnbediensteten im Hamburger Hauptbahnhof „Das Sachsenroß reitet jetzt weiter nach Hamburg-Altona“ wurde laut Hamburger Tageszeitung humorlos mit Versetzung geahndet.
… Die Übersicht läßt erkennen, daß alle Züge, die mit einer Reisegeschwindigkeit von über 90 km/h verkehren und auch die ihnen nächstfolgenden der Rangnummern 8 bis 11 als Schnelltriebwagen (Ft oder TEE) gefahren werden. Unter den lokomotivbespannten Zügen ist künftig der zwischen Köln und Kiel verkehrende F 1 „Hanseat“, der bisher noch weniger als 80 km/h Reisegeschwindigkeit aufwies, nunmehr als schnellster anzusprechen …
Den typischen Ft- und auch TEE-Zügen mit SVT und VT widmen wir einen eigenen Beitrag.*
Folgende schnellen Züge fuhren keine mindestens erforderlichen 200 Kilometer auf DB-Gleisen und tauchen damit nicht in den Tabellen auf, wurden aber in dem Beitrag erwähnt:
… Auch im Interzonenverkehr überschreitet ein Zug die Reisegeschwindigkeit von 80 km/h; es ist der als Schnelltriebwagen gefahrene Ft 165, der trotz der beiden Paß- und Zoll-Aufenthalte in Büchen und Schwanheide die 287 km lange Strecke zwischen Hamburg Hauptbahnhof und Berlin-Zoo in 3 Stunden 32 Minuten mit einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 81,2 km/h zurückgelegt …
… auch weitere F- und D-Züge mit Reisegeschwindigkeiten von über 80 km/h, zum Beispiel die TEE 75/76 „Mediolanum“, 168/185 „Paris-Ruhr“ und 155/190 „Parsifal“ sowie die zwischen Köln und Brüssel laufenden Zugpaare D 84/85, 86/87 und 88/89 …
Damit werden auch Triebfahrzeugleistungen genannt, die von anderen Bahngesellschaften geleistet wurden: Ft 165 von der DR, TEE Mediolanum von der FS, TEE Parsifal von der SNCF und die D 84 bis 89 von der SNCB.
* Themen, die demnächst auf db58 vertieft werden.
Was passt auf db58 zum Thema
- Erhöhung der Geschwindigkeit für das Sachsenroß
- VT 06.1 – letzte Umlaufpläne
- Fahrplan F 17 / F 18 Germania
- Fahrplan F 13 / F 14 Dompfeil
- Fahrplan F 15 / F 16 Sachsenroß
Quellen
- Kursbücher vom Sommer 1957 bis Sommer 1959
- Eisenbahntechnische Rundschau (ETR); Heft 6 – 1958
Baureihe VT 06.1, TEE 78 Hamburg-Altona—Zürich HB „Helvetia“